Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!
Ich grüße Sie, liebe Gemeinde, am heutigen Ostersonntag.
Dieses Jahr ist alles anders. Ostern begehen wir nicht in unseren Kirchen aus Stein und Glas, wohl aber in unseren Kirchen aus Fleisch und Blut.
Es ist nicht wichtig, wo wir feiern, sondern DASS wir feiern. Gott ist da! Er ist überall. Er lässt sich nicht in Gebäude sperren oder an bestimmten Orten verankern.
So etwas wie heuer, gab es noch nie. Weit gefehlt. Bereits vor Jesu Zeit gab es einmal solch eine Situation. In Israel. Der große Jerusalemer Tempel, Zentrum jüdischen Glaubenslebens, ist nicht mehr. Er wurde zerstört. Der Ort, an dem er gestanden hat, noch heute für gläubige Juden unerreichbar. Sie gelangen nur bis zur Klagemauer, den letzten Überresten des prächtigen Tempels. Und auch damals dürften die meisten Juden nur davon träumen, dem Ort ihrer einstigen Kultstätte nahe zu sein. Sie waren verbannt. Exilanten fern ab der Heimat. Doch gerade dort machten sie eine neue und nachhaltige Erfahrung: Gott ist nicht an den Tempel oder das Tempelgelände in Jerusalem gebunden. Er zog schon in früherer Zeit mit seinen Kindern, seinem Volk und er tut es wieder, er tut es noch.
Auch mit uns zieht er dieser Tage. Heraus aus den christlichen Tempeln unserer Zeit und hinein in die häusliche Umgebung derer, die ihn anbeten, die einen ganz persönlichen Gottesdienst in den eigenen vier Wänden feiern. Das ist Auferstehung, liebe Gemeinde! Gott steht auf und kommt uns entgegen! Wenn wir bereit sind, ihn bei uns Willkommen zu heißen, dann werden auch wir etwas von dieser Auferstehung spüren.
Auferstehung. Darum geht es bei Ostern. Nicht um bunte Eier, nicht um Schokoladenhasen, wohl aber darum, das Verborgene zu suchen und zu finden.
Gott ist verborgen. In jedem Augenblick unseres Lebens. Gerade jetzt, in der Krise, in dieser Zeit der Prüfung, ist Gott überall verborgen und es ist an uns, ihn zu suchen und zu finden.
Auferstehung kann zur Zeit auf so vielfältige Weise erfahrbar werden, wenn die Betroffenen dafür bereit sind:
Ich denke an die großen Firmen, welche ihre Rücklagen in dieser Zeit dafür aufwenden, Angestellte nicht zu entlassen.
Ich denke an Aktionäre, welche auf Dividende verzichten, damit börsennotierte Unternehmen weitermachen können.
Ich denke an jene, die das Angebot der Kurzarbeit wahrnehmen und annehmen;
jene, die den Kleinen vielleicht die Pacht oder Miete ihrer Läden erlassen, damit sie nicht in den Ruin gehen.
Ich denke an Kredite, die vielleicht ausgesetzt werden, Rechnungen, deren Begleichung aufgeschoben werden darf.
Ich denke an all jene, die ihr Bestes geben, sich und andere zu schützen und vor Schaden zu bewahren. An die vielen Freiwilligen, die ihre Hilfe anbieten, damit Schwache geschont werden können.
Ich denke an jene, die Forschen, um das Virus zu besiegen und den Profit dabei hinten anstellen.
Ich denke an meine unzähligen Kolleginnen und Kollegen, die nicht in Urlaub gehen, sondern mit Menschen Kontakt halten, die von der jetzigen Situation überfordert sind, die Ansprache und ein offenes Ohr brauchen, die Ängste zu bewältigen haben und Sorgen. Zwar ist meine Zunft offiziell nicht bei den Unternehmen aufgelistet, die den Notstand bedienen, aber die Zeit wird gewiss noch zeigen, dass nicht nur für das leibliche Wohl dieser Tage gesorgt sein muss, sondern ebenso auch für das geistliche.
Unsere Psyche leidet, auch wenn wir das gar nicht so wahrnehmen. Die Tatsache, dass manche Dinge, die sonst so selbstverständlich waren, nun nicht mehr gehen, rumort tief im Innern und für manch einen, für manch eine unter uns ist DAS das eigentliche Virus.
Doch auch hier gibt es Aussicht auf Auferstehung! Ein aufbauendes Gespräch, wenn auch nur übers Telefon, kann der eingesperrten Seele Luft verschaffen. Ein ausgesprochener Gebetswunsch, lässt viel an Ballast abgeben. Hoffnung ist ein Wort, das ich mir immer auch selber sagen sollte, dennoch tut es gut und ist von unschätzbarem Wert, wenn es mir zugesprochen wird, denn dann klingt es weniger verzweifelt und ich spüre zudem ganz deutlich, dass ich nicht allein bin.
Auferstehung braucht Zeit. Gott ließ Christus drei Tage lang Zeit, bevor er ihn aus dem Reich des Todes entband. Doch was ist schon Zeit für den ewigen Gott?
Auch unsere Auferstehung aus dieser Krise wird Zeit brauchen. Nicht berechenbare Zeit, sondern einfach nur Zeit. Unbestimmte Zeit. Zeit, die dennoch von Auferstehung begleitet ist:
Ich sehe es, wenn ich von den Brücken in Kindberg aus in die Mürz hinunter blicke.
Nie habe ich bis zum Grund sehen können. Noch nie habe ich Fische in solch großer Anzahl im Wasser schwimmen sehen.
Wenn ich am Abend mit dem Hund hinaus gehe, dann atme ich eine so klare Luft ein, wie nie zuvor.
Ich denke an die Bucht im Hafen Venedigs: Wo einst Kreuzfahrtschiffe das Wasser aufwühlten und trübten, ist es nun glasklar und es sind Delfine, die dort jetzt die Wellen schlagen.
Wie eine Ironie des Lebens stelle ich mit offenen Augen fest, dass das, was Greta Thunberg monatelang in monotonen Wiederholungen gefordert hat, innerhalb weniger Wochen vom Virus „erschaffen“ worden ist: ein Klima des Segens für unsere Natur.
Ob diese Auferstehung auch auf uns übergehen wird, wird sich erst zeigen, wenn das Virus „besiegt“ ist und die allgemeine Lage zur Normalität zurückfindet. Ich hoffe und bete, dass Normalität nicht bedeutet, dass der Mensch zum Status Quo „Vor der Krise“ zurückkehrt. Ich bete und hoffe, dass WIR ALLE wirklichetwas daraus gelernt haben werden. Nachhaltig sein werden in unserem Handeln und Denken. DAS wäre dann eine Auferstehung, die der Gottes würdig ist.
Auferstehung findet im Verborgenen statt. Von Jesu Auferstehung wird nirgends in der Bibel berichtet. Niemand ist dabei gewesen, keiner hat es gesehen. Doch es gibt Zeugen für das unmittelbare Danach: das leere Grab als Indiz, dass ein unvorstellbares Wunder geschehen sein muss, denn Tote stehen nicht auf und wandeln umher.
Wir rechnen nach und geben Prognosen ab, wir erheben Zahlen zum Überblick über das Übel „Corona“ - Zahlen der Angst: Wie viele infizieren sich täglich neu? Wohl wissend dass es eine Dunkelziffer gibt, die noch weit größer sein kann.
Zahlen der Trauer: Wie viele sind gestorben? An den Folgen des Virus – unmittelbar oder indirekt.
Und wir halten dagegen - Zahlen der Hoffnung: Wer ist alles genesen und hat die Pandemie persönlich überstanden?
Aus all dem versuchen wir abzuleiten, wann Auferstehung möglich sein wird.
Doch Fakt ist: die tatsächliche Auferstehung wird auch hier im Verborgenen statt finden. Wir werden sie erst bemerken, wenn sie längst geschehen ist. Erst dann werden die Zahlen zu uns sprechen, Prognosen sich ggf. bestätigen und wir können letztlich endlich aufatmen.
Und so konzentriert sich schließlich all unsere Hoffnung auf das Danach.
Es wird ein Leben nach Corona geben, dessen bin ich mir ganz sicher.
Und trotzdem wird höchst wahrscheinlich nichts mehr so sein, wie zuvor, jedenfalls nicht in mir, nicht in uns. Ganz ehrlich, ich hoffe es, dass nichts wie zuvor sein wird. Denn auch das Leben der Jünger und Jüngerinnen Jesu ist im Danach nicht mehr so gewesen, wie vor der Auferstehung, wie vor dem leeren Grab. Ihr altes Leben ist tot und wird es auch bleiben. Es ist kennzeichnend für Auferstehung, dass ein neuesLeben beginnt und dass das Alte hinter sich zurückgelassen wird.
Wie ein neues Leben nach Corona sein wird? Ich weiß es nicht. Manche unter uns haben vielleicht einen Todesfall zu beklagen und leiden darunter, dass sie sich durch das Virus nicht richtig von diesem Menschen haben verabschieden können?
Für etliche wird dieses neue Leben schwer in Gang zu bringen sein, denke ich. Doch, es hat auch nie jemand behauptet, Auferstehung sei einfach und schmerzfrei.
Vielleicht sollte uns das Leben nach Corona schlicht und ergreifend das eine lehren und abverlangen: Leben nicht als selbstverständlich hinzunehmen! Freiheit nicht als selbstverständlich anzunehmen und demütig anzuerkennen, dass wir das, was wir Leben nennen, weit weniger in unserer Hand haben und kontrollieren können, als wir meinen.
Das wäre zumindest ein Anfang. Auferstehung ist auch immer ein Anfang. Ein Neuanfang in Gott.
Bleiben Sie behütet und denken Sie immer daran:
Der HERR ist wahrhaftig auferstanden.
Für uns alle.
Halleluja!
Amen.